Wie laden wir ein? – Zur Verschmelzung von Access und Gastgeber*innenschaft in der künstlerischen Produktion
Fachaustausch 2024: Theater o.N Berlin & tanzhaus nrw Düsseldorf
15. Mai 2024 in Berlin
Seit 2023 laden das Theater o.N. und das tanzhaus nrw zwei Mal jährlich interessierte Kolleg*innen zu einem Austausch zu virulenten Themen im Tanz & Theater für junges Publikum ein. Es interessiert uns, die beiden Szenen des Kinder- und Jugendtheaters und des zeitgenössischen Tanzes zusammen und ins Gespräch zu bringen, da die unterschiedlichen Perspektiven sich gegenseitig mitunter sehr befruchten können.
Am 15. Mai findet nun in Berlin das vierte Treffen in dieser Reihe statt.
Die beiden Treffen in 2024 sind dem größeren Feld der Öffnung der Tanz- und Theaterszene gewidmet. In 2023 haben wir uns mit intergenerationellen Formen und Altersangaben sowie mit partizipativen Choreografien beschäftigt und im Februar 2024 die Frage umkreist, wie wir das Publikum „berühren“ können: Über Formen der Berührung und Berührbarkeit im Theater (Artikel von Elisabeth Wellershaus anlässlich des Treffens in Düsseldorf).
Diese Gespräche haben gezeigt, dass die Beschäftigung mit Zugängen, Öffnung und Enthierarchisierung genau dort am wirksamsten wird, wo die Überlegungen zur Gastgeber*innenschaft unmittelbaren Eingang in die künstlerische Arbeit an der Inszenierung finden.
Genau an diesem Punkt wollen wir bei unserem Treffen in Berlin ansetzen und uns Zeit nehmen das Konzept der Gastgeber*innenschaft im Verhältnis zu verschiedenen künstlerischen Konzepten zu erkunden.
Künstler*innengespräch und Workshop
Wir beginnen den Tag mit einem Workshop mit der Produzentin, Vermittlerin und Dozentin Micaela Kühn Jara und laden nachmittags zu einem Gespräch mit der Performerin Silja Korn, der Regisseurin Daniella Strasfogel und der Access-Dramaturgin und Regisseurin Susanne Tod ein. Moderiert von Micaela Kühn Jara werden sie von ihren Erfahrungen mit multisensorischen Inszenierungskonzepten berichten. Welches künstlerische Potenzial können Stücke entfalten, die sich beispielsweise zugleich an sehendes und blindes oder taubes und hörendes Publikum richten?
Informationen zum Workshop
In diesem mehrstündigen Workshop werden wir uns mit Fragen in Zusammenhang mit Gastgeber*innenschaft / Hospitality beschäftigen: Wie laden wir ein? Wer spielt welche Rolle, wer sind die Gäste und wer die Gastgeber*innen? Vor allem bei der Arbeit mit jungem Publikum sind diese Rollen oft nicht so klar verteilt. Wenn wir in Schulen oder Kitas spielen, werden wir in einer umgekehrten Logik zu beinahe invasiven Gastgeber*innen. Wenn wir in Theatern spielen, richtet sich die Einladung hauptsächlich an die erwachsenen Bezugspersonen, die dann entscheiden, ob ihre jüngeren Begleiter*innen kommen sollen.
Wir werden uns mit diesen Themenstellungen in unserer Arbeit auseinandersetzen, von der Probe bis zur Aufführungssituation. Wir werden nicht versuchen, die Fragen zu lösen, sondern vielmehr auf generative Weise mit ihnen arbeiten - in einer Mischung aus Inputs, Gesprächen, praktischen Aufgaben und Aktivitäten in kleinen Gruppen.
Der Workshop schließt an den Austausch im Februar in Düsseldorf an, wo wir verschiedene Konzepte in Zusammenhang mit Partizipation beleuchtet haben und unmerklich bei der Frage landeten: Wie laden wir ein?
Es ist jedoch kein Problem, die Veranstaltungen in Berlin unabhängig vom ersten Teil zu besuchen.
Zeitplan
09:30 - 10:00 Ankommen
10:00 - 13:00 Workshop
13:00 - 14:15 Mittagspause
14:30 - 16:00 Fortsetzung Workshop
16:00 - 16:30 Pause
16:30 - 18:00 Gesprächsrunde
Der Austausch richtet sich an Tanz und Theaterschaffende: Tänzer*innen, Performer*innen, Choreograph*innen, Regisseur*innen, Dramaturg*innen, Theater- und Tanzpädagog*innen, Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen aus der Produktion und alle, die interessiert sind.
Der Workshop und das Gespräch finden in deutscher und englischer Lautsprache statt.
Ihr könnt gerne auch nur zum Workshop oder nur zum Gespräch kommen.
Der Veranstaltungsort ist nicht barrierefrei.
Anmeldung unter domroes@theater-on.de
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Biografien der beteiligten Künstler*innen
Moderation und Workshopleitung
Micaela Kühn Jara arbeitet in den Bereichen Tanz und Bildung mit besonderem Interesse an Partizipation und jungem Publikum. Mit einem Hintergrund als Tänzerin umfasst ihre Arbeit heute die Bereiche Produktion, Bildung, Konzeption und Forschung. Sie ist kreative Produzentin von Alfredo Zinola Productions (Deutschland), einer Company, die zeitgenössische Performances für ein junges Publikum entwickelt. Sie ist außerdem künstlerische Beraterin für das Programm Dansehallerne (Dänemark) für junges Publikum, das Tanz durch hybride Formate in die Schulen bringt. Darüber hinaus ist sie Gastdozentin im Studiengang Tanz und Partizipation (MFA) an der Danish National School of Performing Arts zu Themen wie Partizipation, künstlerisch-pädagogische Praxis, Inklusion und kreative Praxis.
Gesprächspartnerinnen
Silja Korn ist eine blinde Performerin und berät Theater zu Accessfragen in Bezug auf blindes und sehbehindertes Publikum. Sie ist die erste blinde Erzieherin in Deutschland mit Staatlicher Anerkennung und arbeitet in einer Kita in Berlin. Darüber hinaus ist sie künstlerisch tätig, malt, fotografiert und schreibt Kurzgeschichten. Weiterhin unterstützt sie die museale Barrierearmut und engagiert sich in sozialen Bereichen. In Workshops über Kunst und andere Themen möchte sie technische und menschliche Barrieren minimieren. In den darstellenden Künsten arbeitete sie in den letzten Jahren in verschiedenen Projekten mit Judith Reinartz, Annika Hirsekorn, Eva Costa, Joris Camelin, Katia Engels und Zwoisy Mears-Clarke zusammen. 2023 arbeitete sie erstmals mit dem Theater o.N. für die Inszenierung „DAS HEIDI – Eine Vorstellung übers Herausgerissensein“ von Katharina Kummer zusammen, in der sie auf der Bühne stand. Derzeit berät sie das Ensemble in seiner neuen Produktion für blindes, sehbehindertes und sehendes Publikume www.siljakorn.de
Daniella Strasfogel ist Musikerin, Musiktheatermacherin und Performerin in Berlin und hat LOUDsoft 2018 gegründet. Mit LOUDsoft möchte sie Formate für Kinder, Jugendlichen und Familien schaffen, die Zugang zu der Welt der Freien Szene und eine neue Perspektive auf die Schnittstellen zwischen Musik, Kunst und Performance bieten. Daniella ist Gründungsmitglied des Solistenensemble Kaleidoskop in Berlin und war von 2010-2015 künstlerische Leiterin des Ensembles. In der Spielzeit 2023/2024 ist Daniella Hausregisseurin für Musiktheater am tjg – theater junge generation, Dresden. Seit 2022 erarbeitet sie sich neue Kompetenzen in Sachen Inklusion durch Beratungen und Teilnahme an verschiedenen Workshops. 2022 entwickelte sie „HIER“, einen inklusiven und interaktiven Erfahrungsraum für Kinder ab vier Jahren und Erwachsene. Derzeit arbeitet sie in Dresden an einem multisensorischen Klangspielplatz für die nächste Spielzeit, in dem Haptik und Klang auf unterschiedlicher Weise miteinander kombiniert werden. https://www.daniellastrasfogel.com
Susanne Tod arbeitet als Access-Dramaturgin, Theaterpädagogin und Regisseurin in verschiedenen Produktionen und Projekten. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Theaterarbeit mit tauben und schwerhörigen Menschen sowie dem Experimentieren mit Gebärdensprache als Bühnensprache. Sie leitete von 2012-2022 am Ernst Deutsch Theater (Hamburg) den Jugendclub TheaterPlus und seit 2020 im Stadtteil & Kulturzentrum MOTTE e.V. das auf Diversität und Inklusion ausgerichtete Projekt „Geschichten stärken“. Sie arbeitet kuratorisch und dramaturgisch in freien Produktionen, in denen in Gebärdensprache (DGS) inszeniert wird, zuletzt u.a. auf Kampnagel bei dem multisensorischen Musiktheater „Die Insel“ des Künstlerkollektivs [in]operabilities (gebärdensprachliche Dramaturgie) und am Jungen Theater Münster als Regisseurin für das Stück „Ich will das so“ von Leute wie die (Co-Regie: Wera Mahne), einem Theatererlebnis in Laut- und Gebärdensprache ab 5 Jahre. Seit 2023 ist sie außerdem als Jurymitglied für das Theater o.N. tätig (Berliner Schaufenster und FRATZ International).
Gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
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Fotocredits: Melanie Zanin
Die Choreograf*innen Hanna Bylka-Kanecka und Alfredo Zinola im Gespräch über Touch & Respect // Berührung & Respekt – Ansätze partizipativer Choreografien im Tanz für junges Publikum // Fachaustausch Theater o.N. Berlin & tanzhaus nrw Düsseldorf: 23. – 24. Februar 2024 am tanzhaus nrw Düsseldorf.